Kompakt oder fliessend?
Zwei Risotto-Fans, zwei Meinungen
ANDREA MÄUSLI
Chefredaktorin bei le menu
Ich habe eine einfache Erklärung dafür, warum ich flüssigen Risotto nicht mag. Dort, wo ich aufwuchs, gab es jeden Sommer ein Quartierfest. Das war für uns Kinder ein wenig wie Weihnachten, nein, sogar etwas besser als Weihnachten (man durfte die ganze Nacht aufbleiben). Einer unserer Nachbarn zauberte jedes Jahr einen grossen Kessel voll safrangoldenem Risotto, den man schon von Weitem riechen konnte. Der Risotto war nicht nur sehr fein und schön anzuschauen, er war auch sehr flüssig. Nun stellen Sie sich vor, wie ich als kleines Mädchen geduldig und erwartungsvoll in der Reihe stand, bis ich endlich einen Teller voll des wohlriechenden Schatzes in den Händen halten durfte. In dem Moment stiess mich der rüpelhafte Nachbarjunge in den Rücken und die ganze safrangoldene Flüssigkeit ergoss sich über meine blütenweissen Turnschuhe.
Seither mag ich keinen flüssigen Risotto mehr. Ende der Diskussion.
STEFAN WÄLTY
Rezeptautor bei le menu
Zugegeben: Bei Risotto bin ich sehr heikel. Mit 21 Jahren habe ich einige Sommersaisons im Tessin absolviert. Damals war der legendäre Othmar Schlegel noch Tätschmeister und Küchenchef im Hotel Castello del Sole
in Ascona. Schlegel, seines Zeichens Risotto-Connaisseur, stand oft neben mir und hat mir besonders bei der Zubereitung von Risotto mehr als genau auf die Finger geschaut. «All’onda» musste er sein, wie die Italiener sagen, also wellig, samtig und weich fliessend. Wehe der Risotto kam zu trocken auf den Pass; dann gab es Schelte vom Chef! Um die Cremigkeit zu erreichen, kann man den Flüssigkeitsgehalt erhöhen und dabei fleissig rühren, sodass die Stärke vom Reiskorn in die Flüssigkeit übergeht. Und: Ich nehme am Schluss unanständig viel Butter zum Aufmontieren. Ein bisschen Sünde darf beim Risotto sein!
Kompakt gegen fliessend: Bei der Schnellumfrage unter den Risotto-GeniesserInnen von le menu gewann der fliessende Risotto.